Berlin/Freiburg/Dortmund, 25. November 2020. Am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen machen der Deutsche Caritasverband (DCV), der katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit IN VIA und der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) auf Frauen und Mädchen aufmerksam, die weibliche Genitalverstümmelung bzw. -beschneidung über sich ergehen lassen mussten. Die Frauen leiden ein Leben lang unter den körperlichen und psychischen Folgen dieses Eingriffs.
Caritas-Beratungsfachdienste sind zunehmend mit dem Thema konfrontiert
„Bei Genitalverstümmelung handelt es sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung“,
erklärt Eva Maria Welskop-Deffaa, Vorstand Fach- und Sozialpolitik des Deutschen
Caritasverbandes. „Das ist nicht nur in den Herkunftsländern ein Tabu, sondern auch in
Deutschland. Zunehmend sind hierzulande medizinische und sozialpädagogische Fachkräfte
mit den Nöten betroffener Frauen konfrontiert. Um den Frauen fachgerecht und sensibel
helfen zu können, brauchen sie Qualifizierung und Unterstützung.“
Prävention und Aufklärung notwendig
Um gefährdete Mädchen zu schützen, sollte in Schulen und Angeboten der Jugend- und
Familienhilfe eine Auseinandersetzung mit dem Thema gefördert und Beratungsangebote
ausgebaut werden. „Eltern müssen früh angesprochen werden, zum Beispiel in den Frühen
Hilfen. Über Hebammen, Gynäkolog_innen und Kinderärzt_innen werden nahezu alle
Schwangeren und jungen Familien – auch Familien mit Migrations- oder Fluchtgeschichte –
erreicht. Alle in diesem Feld Tätigen müssen über weibliche Genitalverstümmelung Bescheid
wissen und mit potenziell betroffenen Eltern sensibel dazu ins Gespräch kommen“, fordert
Hildegard Eckert, Bundesvorsitzende des SkF
Genitalbeschneidung ist ein geschlechtsspezifischer Asylgrund
Genitalverstümmelung muss konsequent als geschlechtsspezifischer Asylgrund anerkannt
werden. Das gilt sowohl bei bereits durchgeführten als auch bei drohenden Eingriffen nach
Rückkehr ins Herkunftsland. Damit betroffene Frauen Schutz erhalten, müssen die
Mitarbeitenden im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für das Thema ausreichend
sensibilisiert bzw. geschult sein. Denn Genitalverstümmelung ist komplex:
Beschneidungsalter, konkrete Durchführung und damit verknüpfte Erklärungsmuster
unterscheiden sich nicht nur zwischen Ländern, sondern zum Teil von Ort zu Ort. „Wenn
Frauen in der Anhörung von Genitalverstümmelung berichten, bewerten viele Anhörer_innen ihren Bericht vorschnell als unglaubhaft“, erklärt Beate Gilles, Vorsitzende von IN VIA
Deutschland. „Das darf nicht passieren. Nötig bei diesem stark tabuisierten Thema ist die
Befragung durch weibliches Personal und sensibles Nachfragen zum möglichen Vorliegen
geschlechtsbezogener Gewalt. Auch, weil die meisten Frauen selbst gar nicht wissen, dass
Genitalverstümmelung im Asylverfahren relevant ist.“
Fachtag und Erklärfilm
Der Deutsche Caritasverband und seine Fachverbände IN VIA und SkF veranstalten am 01.12.2020
einen digitalen Fachtag zu Female Genital Mutilation_Cutting (FGM_C) und haben einen Erklärfilm für
Beratungsfachkräfte produziert.
Hintergrund
Weltweit sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 200 Millionen Frauen betroffen.
Durchgeführt wird Genitalverstümmelung überwiegend in einigen Regionen Afrikas, aber auch in
einigen Ländern des Nahen Ostens und Asiens. Mit der Einwanderung von Frauen aus diesen
Ländern steigen die Zahlen in Deutschland. Nach einer Erhebung des BMFSFJ wird von bis zu 67.000
betroffenen Frauen und Mädchen und bis zu 14.000 gefährdeten Mädchen ausgegangen. Folgen von
Genitalverstümmelung sind Einschränkungen im Alltag, Schmerzen beim Leben ihrer Sexualität und
Schwierigkeiten bei Schwangerschaft und Geburt. Hinzu kommen psychische Beeinträchtigungen
oder Depressionen aufgrund der erlittenen Traumata. Jedes 10. Mädchen überlebt den Eingriff nicht.
Rund ein Viertel der Frauen stirbt an den Langzeitfolgen.
Weitere Hintergrundinformationen und Kurzfilm unter: https://www.caritas.de/fgm_c
Der SkF unterstützt mit rund 10.000 Mitgliedern und 9.000 Ehrenamtlichen sowie 6.500 beruflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in bundesweit 138 Ortsvereinen Frauen, Kinder, Jugendliche und Familien, die in ihrer aktuellen Lebenssituation auf Beratung oder Hilfe angewiesen sind. Sein Angebot umfasst u. a. 120 Schwangerschaftsberatungsstellen, 91 Betreuungsvereine, 38 Frauenhäuser, 36 Kindertageseinrichtungen, 34 Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen, 31 Dienste der Kindertagespflege sowie 22 Adoptions- und 35 Pflegekinderdienste. Der SkF ist Mitglied im Deutschen Caritasverband.
Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e.V.
Stabsstelle Sozialpolitik und Öffentlichkeitsarbeit
Agnes-Neuhaus-Str. 5, 44135 Dortmund,
Tel. 0231 557026-25, Fax 0231 557026-60, E-Mail: presse@skf-zentrale.de
Deutscher Caritasverband e.V.
Anja Stoiser, Stellv. Pressesprecherin / Pressestelle
Reinhardtstr. 13, 10117 Berlin
Tel. 030 28444-744, Fax 030 28444-755, E-Mail: anja.stoiser@caritas.de
IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit - Deutschland e.V.
Elise Bohlen, Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit
Karlstr. 40, 79104 Freiburg i. Br.
Tel. 0761 200-639, Fax 0761 200-638, E-Mail: elise.bohlen@caritas.de