Die Caritaspräsidentin zum 125-jährigen Jubiläum des SkF
Türen öffnen!
Liebe Damen, verehrte Herren,
schön, dass ich heute - anlässlich Ihres 125jährigen Geburtstages - wieder einmal bei Ihnen sein darf. Die herzlichen Glückwünsche des Deutschen Caritasverbands zu Ihrem Jubiläum überbringe ich sehr gerne persönlich!
In der Vorbereitung auf diesen Abend habe ich mich an unseren eigenen, an den 125. Geburtstag des Deutschen Caritasverbandes, erinnert, der erst wenige Jahre zurückliegt. Und um meine Erinnerungen ein wenig aufzufrischen, habe ich auf unserer Internetseite nachgeschaut, was wir 2021 dort zu unserem Caritas-Geburtstag eingestellt hatten. Gleich im ersten Kapitel der Jubiläums-Chronik ist unter der Überschrift "Aufbruch" - und das bestätigt, wie sinnvoll es ist, unsere Geburtstage jeweils gemeinsam zu feiern - die Gründerin des SkF Agnes Neuhaus als wesentliche Mitgestalterin der Geschichte des Deutschen Caritasverbandes herausgehoben portraitiert. Ihr Wirken im Deutscher Caritasverband e.V. und für den SkF wissen wir als Caritas zu schätzen als Wirken im und für den Deutschen Caritasverband! Auch wenn (und vielleicht weil) es zwischen ihr und Lorenz Werthmann nicht immer nur friedliches Einvernehmen gab...
Agnes Neuhaus erscheint auf der Caritas-Jubiläumsseite prominent und - ob Sie es glauben oder nicht - dargestellt wird sie vor einer offenen Tür.

Sie schreitet, viele von Ihnen werden das Bild kennen, begleitet von ihrem Ehemann und einem weiteren Herrn mit melonenartigem Hut, energischen Schrittes voran - offenbar zum Reichstag, dem sie als eine der wenigen Frauen der ersten Stunde nach dem Ersten Weltkrieg angehörte.
Ganz entschlossen nutzte Neuhaus die offene Türe, die das passive Wahlrecht für Frauen, das gerade erst neu geschaffen war, ihr aufgestoßen hatte: Sie zog als Abgeordnete ins Parlament der Weimarer Republik ein und gestaltete dort wesentliche gesetzliche Regelungen für unsere Arbeit - nicht zuletzt das Jugendfürsorgegesetz - mit.
Mit diesem Bild vor Augen kann es doch kein Zufall sein, dass der SkF seinen 125. Geburtstag just in dem Jahr feiert, in dem der Deutsche Caritasverband mit all seinen Gliederungen und Mitgliedern die Jahreskampagne unter den Claim stellt: "Caritas öffnet Türen". An ganz vielen Stellen im Land ist unsere rote Kampagnentür unterwegs und lädt zum Nachdenken und Diskutieren darüber ein, was es braucht, damit wir heute und auch morgen noch unsere Türen für diejenigen offenhalten, die unsere Angebote so unerlässlich dringend brauchen - Familien mit Suchtproblemen, Jugendliche ohne Schulabschluss, Schwangere ohne Perspektive für ihr Kind... Ich freue mich sehr und danke ganz herzlich dafür, dass der SkF sich und seine Geschichte heute mit der roten Tür, die neben mir auf der Bühne steht, in diese Jahreskampagne hineinstellt.
Die Bildsprache der geöffneten Türe passt sehr gut zu Agnes Neuhaus - nicht nur, weil sie so selbstverständlich und tatkräftig die Chance genutzt hat, die mit dem Frauen-Wahlrecht verbunden war, sondern - und das ist der Teil der Geschichte, der mich emotional immer wieder besonders berührt - weil sie so unglaublich unvoreingenommen und mutig die Türen durchschritt, hinter denen das Leid der Armen verborgen war. Offenbar war es der damalige neue Beigeordnete der Stadt Dortmund, der sie dazu ermutigt hat... Sicher ist: Sie öffnete die Türen des städtischen Krankenhauses in Dortmund und entdeckte eine Lebensaufgabe.
Wenn man Agnes Neuhaus‘ eigenen Schilderungen glaubt, hatte der neue Beigeordnete die Idee, Frauen sollten sich aktiv in die Armenfürsorge einmischen, gerade in die Fürsorge für arme Frauen, weil er es für das Beste ansah, wenn Frauen sich um Frauen kümmern. Er wies Agnes Neuhaus die Unterstützung einer Witwe zu, die sie im Krankenhaus besuchen sollte. Indem sie diesem Auftrag folgte, eröffnete sich ihr eine Welt, die sie vorher nicht gesehen, die sie nicht gekannt hatte und die sie danach nie wieder losließ. Es war die Welt der Frauen, die in der Prostitution ganz ungeschützt Not und Elend und vor allem Geschlechtskrankheiten ausgesetzt waren. Sobald sie erkrankten, verloren sie die letzte verbliebene Möglichkeit, ihre prekäre Existenz zu sichern. Die Polizei holte die Frauen von der Straße, brachte sie ins Krankenhaus und überließ sie ihrem jämmerlichen Schicksal, weil sich niemand um sie kümmerte. Agnes Neuhaus war es, die die Fürsorge für diese Frauen als eigenen Beruf, als persönliche und verbandliche Berufung entdeckte.
Ausgehend von dieser Geschichte im Städtischen Krankenhaus, die Sie alle kennen, entwickelte sich der SkF, weil Agnes Neuhaus sehr schnell bemerkte, dass ihre eigenen Kräfte nicht ausreichten, um die Not der Zeit zu lindern. Sie brauchte Gefährtinnen, sie brauchte Mitstreiterinnen und sie hatte die Gabe, Frauen für sich und Ihre Mission zu gewinnen und in ganz Deutschland eine Bewegung anzustoßen.
Ich habe mich, als ich eingeladen wurde, hier heute ein Jubiläums-Grußwort zu sprechen, gefragt: Ist es eigentlich sinnvoll, diese Geschichte noch einmal zu erzählen, eine Geschichte, die Sie alle schon so oft gelesen und gehört haben? Am Ende hat mich ein Format der Jungen Akademie in Berlin ermutigt, genau das zu tun. Der methodische Kniff der von einigen Studierenden vorbereiteten Veranstaltung bestand darin, dass in zwei aufeinander folgenden Gesprächsrunden alle Teilnehmer:innen in verschiedene Gesprächspaare aufgeteilt wurden und jeder und jede sollte die eigene (gleiche) Geschichte zweimal erzählen - einmal der ersten und einmal der zweiten Gesprächspartner:in. Danach waren wir eingeladen die unterschiedlichen Resonanzen zu betrachten, die die gleiche Geschichte auslöst, wenn man sie unterschiedlichen Gesprächspartnern erzählt und wenn man für sie eine andere Sprache wählt, weil man das Gefühl hat, das Gegenüber interessiere sich für andere Aspekte... Es war frappierend, in diesem Experimentierformat bewusst zu erleben, was das für einen riesigen Unterschied macht, ob ich meine eigene Geschichte einer 70-jährigen Frau mit Ostbiografie und vielen Lebensbrüchen erzähle oder einer jungen 23-jährigen Theologiestudentin, die kurz vor ihrem Examen steht.
Das hat mir meine Entscheidung für heute leicht gemacht und ich habe mich entschieden, Ihnen Ihre eigene Geschichte noch einmal zu erzählen. Weil es einen Unterschied macht, wann man sie erzählt und aus welchem Ansatz frau sie erzählt und in welchem Kontext wir sie uns erneut erschließen.
Mich hat beim neuerlichen Hören und Erzählen der Neuhaus-Geschichte dreierlei besonders angesprochen:
Erstens: ganz offenkundig ist die Geschichte des SkF von Anfang an sehr mit der kommunalen Ebene verbunden! Es war die örtliche Not, es waren die örtlich handelnden Personen in der Stadtverwaltung, ja offensichtlich auch im Fürsorgeamt, die auf Agnes Neuhaus und auf die Gruppe der mit ihr verbündeten Frauen gesetzt haben. Wie wichtig ist es, das heute wieder in Erinnerung zu rufen! Wir können unsere Arbeit als Caritas mit all unseren Gliederungen und Mitgliedern nur tun, wenn auf der örtlichen Ebene die entsprechenden Beziehungen, die verlässlichen Finanzierungsbedingungen und tragfähigen Partnerschaften bestehen. Deswegen ist es für uns als Caritasverband so wichtig, mit einzusteigen in die Diskussion darum, wie wir die Finanzierung der Kommunen absichern können. Kommunen mit leeren Kassen, Kommunen, die ihre Ämter personell und finanziell nicht anständig ausstatten können, können auch Wohlfahrtsverbände als soziale Dienstleister und Partner nicht angemessen unterstützen. Für mich ist das die erste Lehre aus der Erinnerung an die Dortmunder Erfahrungen von Agnes Neuhaus.
Das Zweite, was mich besonders angesprochen hat, ist noch einmal zu sehen, wie Agnes Neuhaus dann ihr Netz gesponnen hat. Da hat sie die Männer engagiert mit in die Pflicht genommen! Ihren Ehemann, der Richter war, hat sie offenbar sehr stark in Anspruch genommen, um sich das juristische Grundgerüst anzueignen, das sie brauchte, um ihre Interessen durchzusetzen. Aber auch die männlichen Partner in Kirche und Verwaltung waren für sie unerlässlich, um ihre Arbeit tun zu können - die kommunalen Beigeordneten, die Priester und Bischöfe und die Führungspersönlichkeiten des Caritasverbandes, die damals alle noch Männer waren. Für mich ist das etwas, das wir - wie wir hier als Frauen, als Verbandsfrauen miteinander sprechen - immer wieder betrachten müssen: Wie können wir mit den Männern um uns herum so arbeiten, dass sie für die Lebensperspektiven der Frauen und Kinder in Not unsere Partner werden und bleiben? Wie können wir diese Partnerschaft nutzen und uns nicht in Gegnerschaft verhaken, auch wenn Widerspruch und Streit manchmal unabwendbar nötig sind? Es lohnt sich, männliche Partner zu haben und sie für unsere Sache zu gewinnen - das ist eine weitere Lehre, die wir aus der Geschichte von Agnes Neuhaus für unsere heutigen Aufgaben herauslesen können.
Das Dritte und Letzte: Mich hat es beeindruckt, wie klar Agnes Neuhaus in der Erinnerung an die Dortmunder Anfänge schreibt, dass sie nicht vorhatte, einen Verband zu gründen. Sie ging sogar davon aus, dass eigentlich gar kein Verband gegründet wurde, sondern dass sich die Entwicklungsgeschichte des Verbandes ereignete. Es war nicht ein strategisches Vorhaben und schon gar nicht der Plan eines Werks auf der nationalstaatlichen Ebene, dem Agnes Neuhaus folgte, sondern sie ging Schritt für Schritt auf die Aufgaben zu, die jeweils als nächste vor ihr lagen. Dieses prozedurale, dieses Bottom-up-Geschehen, dieses auf die nächste Herausforderung seismographische Reagieren - mit dem Anspruch, die jeweils nächste Aufgabe konkret zu lösen und dann (!) aus dieser Praxiserfahrung heraus reichsweite Politik zu machen - das ist die Geschichte, die Agnes Neuhaus uns erzählt! Ich meine: eine ermutigende Geschichte für heute, wo wir inmitten so vieler Krisen so leicht am "großen Plan" scheitern könnten, wenn wir nicht wider die Ohnmacht jeden nächsten Schritt einfach tun.
Gestatten Sie, dass ich das Grußwort nutze und wenigstens einen kleinen Blick auf die aktuellen Krisen und Herausforderungen werfe, vor denen wir heute stehen.
Die Gründung des SkF war die Antwort auf eine krisengeschüttelte Zeit! Es war eine Zeit voller Umbrüche und voller Leid. In einer ähnlichen Phase erleben wir uns heute: Wir reden von Polykrisen - eine abstrakte Vokabel für das, was wir spüren, dass vielen Menschen der Boden unter den Füßen wegbricht, dass sie die Orientierung verlieren, was sich - leider Gottes - auch im Wahlverhalten ausdrückt. Die Frage ist: An welchen Stellen können wir dagegen anarbeiten?
Ich denke, es fängt dabei an, wie wir über die Situation sprechen. Die Art und Weise, wie Agnes Neuhaus die Probleme ihrer Zeit schildert, hat immer etwas Empathisches und Zugewandtes. Sie spricht nicht schlecht über andere Leute, sondern sie spricht fürsorgend und mit-leidend über die Menschen, denen sie begegnet. Heute erleben wir, dass der gesellschaftliche Dialog in der Politik dadurch geprägt ist, dass wir übereinander klagen und hetzen. Diesem negativen Grunddiskurs müssen wir als allererstes uns entgegenstellen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die politische Diskussion verroht und dass sie den Eindruck erweckt, Wirtschaft und Gesellschaft seien ein Nullsummenspiel, wo der Gewinn des einen automatisch der Verlust des anderen ist. Das ist eine Milchmädchenrechnung, und ich glaube, ein Frauenverband ist der allererste, der solche Milchmädchenrechnungen aufdecken kann.
Wir wissen ganz genau: Wenn wir die unterstützen, die in Problemlagen geraten sind, dann führt das nicht dazu, dass irgendjemand anders etwas abgeben muss und weniger hat, sondern im Gegenteil - wenn wir Problemlagen möglichst früh und möglichst präventiv überwinden, dann profitiert davon unsere ganze Gesellschaft. Leider nähren die Populisten die gegenteilige Sorge - und das nicht nur in den USA: "Pass auf, sein Gewinn ist dein Verlust!" Ich bin überzeugt, dass wir aus unserer Arbeit ganz viele Beispiele kennen, mit denen wir dieses giftige Narrativ als falsch entlarven können.
Es liegt an uns, den Boden des Vertrauens zu pflegen, gerade da, wo die sozialen Bindungen schwinden. Vertrauen, das durch populistische Narrative zerstört werden soll, können wir wachsen lassen durch unser Tun. Denn - wie Erzbischof Burger zuletzt noch bei der Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes sagte - "Nächstenliebe ist Tat". Mit dieser Tat geben Sie in Ihrer Arbeit vor Ort täglich Zeugnis. Dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen.
Damit sie auch für Menschen in Notlagen zugänglich sind, gilt es, öffentliche Räume zu verteidigen, immer da, wo sie exklusiv geschlossen werden sollen. Wir dürfen nicht die Bänke vor den Bahnhöfen mit Zwischensitzlehnen so verunstalten, dass man da garantiert keine Nacht mehr drauf schlafen kann! Und wir müssen dafür sorgen, dass auf den Marktplätzen schattige Bäume wachsen, damit die Menschen, die keine Wohnung haben, es in der Klimaglut des Hochsommers wenigstens im Schatten eines Baumes aushalten können. Ich freue mich daher sehr, dass der SkF Frankfurt mit seinem Familienzentrum einer der 15 Standorte des Projekts "Sozialraum Bahnhof" ist, das wir als Deutscher Caritasverband im letzten Jahr gemeinsam mit der Stiftung Mercator angestoßen haben, um am Bahnhof die öffentlichen Räume wie den Bahnhofsvorplatz offen zu halten. Damit sich die Menschen verschiedener Milieus begegnen und nicht die ICE-Fahrgäste mit dem Erste-Klasse-Ticket an den Wohnungslosen einfach nur vorbeifahren.
Ein zweites aktuelles Thema, das ich ansprechen möchte und das mir im Augenblick besonderen Kummer bereitet und bei dem ich finde, dass wir als Caritasfamilie gemeinsam herausgefordert sind, ist die Frage, wie wir mit der Diskussion um Wehrdienst, Wehrpflicht und Freiwilligendienste umgehen. Es ist eine Diskussion, die auf eine unglaublich große objektive Krise und militärische Bedrohungslage antwortet, die wir uns alle vor wenigen Jahren nicht haben vorstellen können.
Einige Antworten, die für dieses Krisenszenario gerade diskutiert werden, sind nach meiner Einschätzung allerdings grundfalsch. Wenn man glaubt, man könnte die aktuellen Krisensituationen dadurch bewältigen, dass man die alte Wehrpflicht einfach wieder einführt, dann ist man auf dem falschen Weg. Die Wehrpflicht, die man wieder einführen kann, ohne das Grundgesetz zu ändern, ist eine Wehrpflicht nur für Männer und sie ist eine Wehrpflicht, die mit Ersatzdienstpflichten für Kriegsdienstverweigerer zu kombinieren ist.
Für die Bundeswehr sind Ersatzdienstleistende kein Problem, weil sie alle jungen Männer als Wehrdienstleistende vorläufig gar nicht einsetzen kann. Wenn sich aber junge Männer (und nur sie) in großer Zahl gegen den Wehrdienst entscheiden (und dann Ersatzdienst leisten müssen), ist das (für die jungen Menschen, die Einsatzstellen und die Gesellschaft) etwas ganz anderes, als wenn sich alle jungen Männer (und Frauen!) positiv für einen Dienst für die Gesellschaft entscheiden. Wir brauchen eine junge Generation, so meine ich, die grundsätzlich freiwillig ihren Weg findet, wie sie sich in der für uns alle bedrängenden Krisensituation engagieren will und kann.
Die Politik hat den jungen Menschen mindestens zehn, fünfzehn Jahre lang erzählt, dass sie lieber nach acht als nach neun Jahren ihr Abitur und am besten direkt nach dem Abitur ihr Examen machen sollen. Jetzt sollen sich die gleichen jungen Menschen ganz schnell darauf einstellen, dass dieser Turbo-Lebenslauf doch nicht der richtige ist, dass sie stattdessen der Gesellschaft ein Jahr zur Verfügung stellen sollen. Genauer gesagt: Mit der Reaktivierung der Wehrpflicht würde den jungen Männern ein solches Pflichtjahr auferlegt.
Diese werden skeptisch fragen: "Warum eigentlich nur wir und nicht die Mädels?" Und damit würde die im Entwurf des Wehrdienstmodernisierungsgesetzes vorbereitete Wiedereinführung der Wehrpflicht die Gräben vertiefen, die wir ohnehin schon zwischen jungen Männern und jungen Frauen sehen. Das ist der entscheidende Grund, warum ich Ihnen als Frauenverband das Thema heute zu Ihrem Jubiläum mitbringe.
Junge Männer stehen - was wir bereits in rechtspopulistischen Kreisen deutlich erleben - in der Gefahr, einer spalterischen Geschlechterrhetorik auf den Leim zu gehen, wir sehen ein Rollback bei den Geschlechterstereotypen. Ich befürchte: es wird bei Wiedereinführung der alten Wehrpflicht eine heftig-aggressive Auseinandersetzung um die Tatsache geben, dass die Frauen nicht zum Dienst verpflichtet werden. Und die Frauen ihrerseits, die jungen Frauen, werden sich ärgern, dass - wenn sie freiwillig ein soziales Jahr ableisten - sie für dieses freiwillige Jahr mit einem Taschengeld von 400 € im Monat belohnt werden, während der Sold der jungen wehrpflichtigen Männer (auch im Ersatzdienst) deutlich über 1400 € liegt.
Durch eine solche Konstellation kann keine positive Resilienz gegen einen aufmerksam uns beobachtenden Feind geschaffen werden, der leider tatsächlich vor der Tür steht.
Deswegen glaube ich, wir müssen alles dafür tun, dass jetzt, wenn Minister Pistorius sein Gesetz macht, die grundlegenden Weichen so gestellt werden, dass die Freiwilligkeit, die ja am Anfang geplant ist, wirklich zum Erfolg führt. Wir müssen alles dafür tun, dass möglichst viele junge Männer und junge Frauen sich eingeladen fühlen, einen freiwilligen Dienst zu tun, entweder den Dienst mit der Waffe oder den Dienst im Zivilschutz und Bevölkerungsschutz, der ja im Ernstfall genauso wichtig sein wird, oder ein freiwilliges Dienstjahr in einem Altenheim oder einem Krankenhaus.
Über die Frage nach dem Für und Wider eines allgemeinen Pflichtdienstes kann man ernsthaft diskutieren, das will ich nicht in Zweifel ziehen. Allerdings wäre ein allgemeiner Pflichtdienst ohne Grundgesetzänderung nicht möglich und mindestens in dieser Legislaturperiode wird es keine Grundgesetzänderung geben. Also müssen wir eine freiwillige Lösung suchen, die junge Frauen und junge Männer gleichermaßen anspricht und die deutlich macht, dass das, was sie der Gesellschaft bieten können, für uns gleich wertvoll und gleich wichtig ist. Nur so werden wir die jungen Menschen motivieren, in einem Dienstjahr für die Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen. Ich freue mich, wenn Sie als SkF diesen Aspekt nachdrücklich mit in die Debatte der nächsten Wochen hineintragen.
Ich möchte mein Grußwort nicht schließen, ohne zu betonen, wie groß der Dank ist, dem wir dem SkF in allen Fragen rund um den §218 abzuleisten haben. Ihr Verband hat im letzten Viertel seiner 125jährigen Geschichte bitter unter den römischen Entscheidungen zum Ausstieg aus der Konfliktberatung leiden müssen und ich finde es bewundernswert, dass nach alledem so viel Energie übriggeblieben ist! Energie und Kompetenz, so dass wir in den letzten Monaten in den aktuellen Diskussionen um eine mögliche Reform des §218 gemeinsam als Bischofskonferenz, Caritasverband und SkF eine klare Linie beschreiben konnten - mit dem Ziel, die gesetzliche Beratungspflicht zu erhalten, die vom SkF in der Konfliktberatung praktisch nicht mehr ausgefüllt werden darf.
Der SkF ist ein Verband, der immer nah an den drängenden Fragen der Zeit war. Er hat ein hohes zeitdiagnostisches Gespür dafür, wo es gerade brennt und setzt sich mit einer großen Empfindsamkeit und mit großer Tatkraft dafür ein, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Als Caritaspräsidentin bin ich stolz auf unser gutes Miteinander und dankbar für unser erfolgreiches Zusammenwirken und ich bin sicher, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.
v.l.: Yvonne Fritz, Vorständin SkF Gesamtverein; Eva M. Welskop-Deffaa; Präsidentin DCV und Dr. Ursula Pantenburg, Vorsitzende SkF-Rat SkF Gesamtverein bei der Jubiläumsfeier auf der Delegiertenversammlung 2025.