Ich will ... Zeit für Familie und Beruf
Hintergrund
Trotz zunehmender Erwerbsarbeit übernehmen Frauen weiterhin den Großteil der Pflege-, Sorge- und Hausarbeit. Sie verrichten durchschnittlich 1,5-mal mehr unbezahlte Arbeit im Haushalt wie Männer. Gehören Kinder oder pflegebedürftige Personen zum Haushalt erhöht sich der "gender-care-gap" noch weiter. Wie wichtig Sorgearbeit ist, hat die Corona-Zeit mit der Konzentration des Lebens auf die privaten Haushalte deutlich gezeigt. Ohne eine faire neue Verteilung dieser gesellschaftlich wichtigen Sorgearbeit kann die Benachteiligung von Frauen in der Erwerbsarbeit nicht überwunden werden.
Im zweiten Gleichstellungsbericht, den die Bundesregierung 2017 vorgelegt hat, wurde dazu ein sogenanntes Erwerb-und-Sorge-Modell vorgeschlagen: Eine gleichstellungsorientierte Gestaltung der Erwerbs- und Sorgearbeit soll es allen Menschen unabhängig vom Geschlecht ermöglichen, während ihres Lebensverlaufs Erwerbs- und Sorgearbeit zu verbinden. Dafür sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Menschen möglich machen, gleichberechtigt an der Erwerbsarbeit teilzuhaben, ohne dafür auf private Sorgearbeit verzichten zu müssen. Idealerweise sollen Paare zu gleichen Teilen am Erwerbsleben teilnehmen und zudem gleiche Teile der (unbezahlten) Hausarbeit verrichten. Zusätzlich können sie externe Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die sie bei der privaten Sorgearbeit unterstützen. Das sind z.B. Kinderbetreuung, Pflegedienste oder auch haushaltsnahe Dienstleistungen.
Problemanzeige: Ehegattensplitting und Minijob
Strukturelle Bedingungen begünstigen aber nach wie vor, dass Männer sich stärker der Erwerbsarbeit zuwenden, obwohl auch sie sich mehr Zeit für ihre Familien wünschen, während Frauen sich oftmals gegen eine eigenständige Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit entscheiden. Rechtliche Regelungen wie beispielsweise die Ehegattenbesteuerung sowie die rechtliche Sonderstellung von Minijobs verfestigen diese Situation.
Die von den meisten Ehepaaren und Lebenspartnerschaften praktizierte Zusammenveranlagung in der Einkommensteuer ("Ehegattensplitting") behandelt das Paar so, als hätten sie jeweils genau die Hälfte des gemeinsamen Einkommens erzielt. Sind die Einkommen in Wirklichkeit unterschiedlich hoch, wird das Einkommen des geringer verdienenden Partners/Partnerin unverhältnismäßig hoch besteuert, so dass sein/ihr Einkommen in der Steuerklasse V noch geringer ausfällt und sich subjektiv die Erwerbstätigkeit kaum zu lohnen scheint. Gerade Frauen entscheiden in dieser Situation häufig, stattdessen einen Minijob anzunehmen. Hier entfällt der Arbeitsnehmerinnenanteil an Einkommenssteuer und Sozialabgaben. Der Nettoverdienst für die Teilzeittätigkeit ist deutlich höher als bei einer vergleichbaren sozialversicherten Stelle. Die mit dem Minijob einhergehende fehlende soziale und arbeitsrechtliche Absicherung und die langfristig nicht vorhandenen Aufstiegschancen werden nicht gesehen.
Erfahrungen des SkF
In unseren Beratungsstellen treffen wir immer wieder auf Frauen, die z.B. nach einer Trennung oder beim Tod des Partners keine eigenständige Existenzsicherung haben und sie auch nur sehr schwer erreichen können, weil sie jahrelang ausschließlich im Minijob oder gar nicht erwerbstätig waren. Ein (Wieder)- Einstieg in eine existenzsichernde Beschäftigung ist deutlich leichter möglich, wenn bereits eine sozialversicherte Teilzeitbeschäftigung mit allen arbeitsrechtlichen Absicherungen ausgeübt wird.
Ebenfalls taucht eine wachsende Zahl von Rentnerinnen in unseren Angeboten zur Existenzsicherung auf, die keine eigenständige Alterssicherung aufweisen. Auch hier sind lange Erwerbsunterbrechungen, Phasen der Beschäftigung im Minijob, Kindererziehung und Pflege sowie die niedrigen Löhne in frauenspezifischen Berufen die Ursache für die Altersarmut.
Deshalb: Steuerrecht reformieren und Minijobs als Alleinverdienst abschaffen, um Frauen keine falschen Anreize bei der Erwerbsarbeitsorientierung zu geben.
Problemanzeige: Haushaltsnahe Dienstleistungen
Mehr als 3 Millionen private Haushalte nutzen in Deutschland gelegentlich oder dauerhaft Haushaltshilfen zur Unterstützung. Davon arbeiten ca. 90% ohne jegliche soziale Absicherung schwarz. Knapp 300 000 sind als Minijobberinnen registriert und auch damit nicht ausreichend abgesichert. Das heißt, die privaten Haushalte sind ein beachtlicher Arbeitgeber für Frauen und Männer, die aus unterschiedlichen Gründen (Migrationshintergrund, fehlende Qualifikationen, Arbeitszeiten…) keinen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt haben. Ohne selbst sozial abgesichert zu sein, verrichten sie existentielle Dienstleistungen für die privaten Haushalte.
Viele Haushalte sind auf qualifizierte Unterstützung bei der Sorgearbeit angewiesen. Das sind zum einen Paarhaushalte mit Kindern und Alleinerziehende, die Erwerbsarbeit und Familie ohne Überforderung vereinbaren möchten, und Haushalte, in denen Mitglieder pflegebedürftig sind oder unter psychischen und physischen Erkrankungen und Behinderungen leiden. In Haushalten mit älter werdenden Menschen kann Unterstützung bei der Haushaltsführung Pflegebedürftigkeit hinauszögern.
Erforderlich ist eine politische Initiative, um haushaltsnahe Dienstleistungen aus der Schwarzarbeit herauszuholen und fair und sozialversichert zu entlohnen. Bereits im aktuellen Koalitionsvertrag waren hierzu Modellprojekte vorgesehen, die mit Gutscheinen die Dienstleistungen in Privathaushalten für bestimmte Zielgruppen subventionieren sollten.
Die Einführung eines Gutscheinsystems verschafft auch Haushalten mit weniger Einkommen den Zugang zu qualifizierter Unterstützung. Es erleichtert Menschen die Bewältigung ihres Alltags und trägt zu einer geschlechtergerechten Arbeitsteilung bei. Zusätzlich würden so ca. 100.000 sozial abgesicherte Vollzeitarbeitsplätze geschaffen, wenn es in Deutschland gelänge, den Anteil der regulär Beschäftigten in Privathaushalten auf das Niveau anderer westeuropäischer Länder anzuheben.
Erfahrungen des SkF:
In den Beratungsstellen und bei unseren Angeboten der Frühen Hilfen und der ambulanten Familienhilfe begegnen wir oft Familien, die mit der Haushaltsführung und Kinderbetreuung überfordert sind. Hier könnte bereits die einfache Unterstützung durch qualifizierte haushaltsnahe Dienstleistungen punktuell oder langfristig Entlastung schaffen.
Gleichzeitig wissen wir aus den Maßnahmen zur Integration in Arbeit, dass hauswirtschaftliche Tätigkeiten eine Chance für niedrig qualifizierte Frauen und Mädchen sein können. Entsprechende Angebote haben z.B. der SkF Langenfeld und der SkF in Ratingen entwickelt. Sie bieten geförderte Qualifizierungen an und können die Teilnehmerinnen anschließend in eigenen Betrieben, die haushaltsnahe Dienstleistungen anbieten, beschäftigen. Bisher sind diese Angebote nur bei Pflegebedürftigkeit nach SGB XI subventioniert. Eine Gutscheinlösung könnte die Nachfrage erheblich steigern.
Deshalb: Haushaltsnahe Dienstleistungen zu einem anerkannten qualifizierten und fair entlohnten Arbeitsfeld machen und durch ein Gutscheins-System subventionieren.
Ansprechpartner aus der Praxis
Frauen, die durch die ungleiche Verteilung der Erwerbs-und Sorgearbeit in materielle Schwierigkeiten geraten (z.B. bei Trennung oder Scheidung) werden von allen SkF Ortsvereinen beraten.
Beispielhafte Projekte im Bereich haushaltsnahe Dienstleistungen gibt es bisher nur wenige, da die Kosten durch die Kundinnen vielfach nur dann gezahlt werden können, wenn beispielsweise eine Pflegeeinstufung durch den MDK vorliegt.
SkF Langenfeld ARBEIT+INTEGRATION gGmbH
GlanzLeistung: Haushaltsnahe Dienstleistungen
https://caritas.erzbistum-koeln.de/langenfeld-skf/beschaeftigung_und_qualifizierung/haushaltsnahe_dienstleistungen/
Ansprechpartnerin: Dorothea Domasik
SkF Ratingen
Aktion Hauswirtschaft e.V.
https://caritas.erzbistum-koeln.de/ratingen_skf/hilfe-beratung/integration-in-arbeit/ueberblick/
Ansprechpartnerin: Katrin Richter