Ich will ... gute Chancen für mein Kind
Ich will gute Chancen für jedes Kind
Hintergrund
Nach wie vor gilt: Nicht alle Kinder haben in Deutschland die gleichen Chancen auf einen guten Start ins Leben und ein Aufwachsen in einer für sie förderlichen und sicheren Umgebung. Die Pandemie hat die Gefahr der sozialen Abkopplung von Familien mit geringem oder keinem eigenen Einkommen, in beengten Wohnverhältnissen oder mit Flucht- und Migrationserfahrungen einmal mehr deutlich gezeigt. Dies hat gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Ihre Chancen auf gleiche Teilhabe an Bildung und sozialem Anschluss und Austausch sind gefährdet, wenn Kitas geschlossen sind oder Laptops und Tablets für das Homeschooling nicht oder nur phasenweise zur Verfügung stehen.
Auch zeigt sich, dass es etwa aufgrund des Fehlens von Treffen mit Freunden in der Freizeit zu einem Anstieg von psychischen Belastungsstörungen und Krankheiten bei jungen Menschen durch die Corona-Pandemie gekommen ist. Die Situation verschärft sich für Kinder und Jugendliche, wenn ihre Eltern aufgrund vielschichtiger Problemlagen wie etwa finanzieller Not, sozialer Stigmatisierung, Traumatisierung, Gewalt, Trennung, Krankheit oder Sucht überlastet sind und nicht mehr hinreichend für sie sorgen können. In manchen Fällen führt dies dazu, dass das Kindeswohl so gefährdet ist, dass junge Menschen außerhalb ihrer Familie in stationären Wohngruppen oder in Pflegefamilien untergebracht werden müssen. Von einer inklusiven Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe sowie bildungspolitischer Maßnahmen ist man zudem noch weit entfernt. Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen und Behinderungen (sowie ihre Familien) sind in weiten Teilen infrastrukturell und sozial benachteiligt. Es gilt, junge Menschen mit und ohne Behinderungen gleichermaßen in den Blick zu nehmen.
Dazu bedarf es zum einen der konsequenten Vernetzung und des flächendeckenden Ausbaus von inklusiven Angeboten der ambulanten und (teil-)stationären Kinder- und Jugendhilfe, der niedrigschwelligen Hilfen für Familien in Notsituationen, der Frühen Hilfen mit ihren vielfältigen Angeboten der psychosozialen Unterstützung von Familien mit Kindern bis drei Jahre sowie langfristig sicherer Perspektiven für Kinder, deren Eltern ihren Erziehungsauftrag nicht (mehr) wahrnehmen können. Zum anderen muss die Kinder- und Jugendarmut in einem so hoch entwickelten Land wie Deutschland konsequenter bekämpft werden.
Problemanzeige
Viele familienbezogenen Leistungen in Deutschland erreichen Kinder und Jugendliche nur bedingt. So bringen Steuererleichterungen nichts für einkommensschwache Familien, da diese keine Steuern zahlen. Die existenzsichernden Bedarfe für Kinder und Jugendliche werden seit Jahren als zu niedrig und als nicht bedarfsorientiert an den Lebenswelten von jungen Menschen kritisiert. Die Regelungen der Sozialgesetzgebung haben die Situation für Menschen im Transferbezug ("Hartz IV", "Aufstocker", "Bedarfsgemeinschaft") dramatisch verschärft. Alleinerziehende, getrennt lebende Elternteile sind in besonderer Weise betroffen und haben ein erhöhtes Armutsrisiko. Abgesehen vom Kindergeld sind monetäre familienbezogene Leistungen in Deutschland an das Einkommen der Eltern bzw. deren sozio-ökonomischen Status gekoppelt.
Junge Menschen, die außerhalb ihrer Familien aufwachsen, sind an vielen Stellen in puncto gleicher Teilhabe- und Verwirklichungschancen benachteiligt. Kritisch ist auch ihr Übergang in die Volljährigkeit, der häufig weniger ein Verselbständigungs- als vielmehr ein Verschuldungsprozess ist. Denn bislang enden die Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe in der Regel mit Erreichen des 18. Lebensjahr. Unbezahlbarer Wohnraum, kaum monetäre Ressourcen durch gravierende Kostenheranziehung der jungen Menschen in den Hilfen zur Erziehung und fehlende familiäre Unterstützungsmöglichkeiten erhöhen das Risiko von Wohnungslosigkeit und/oder dem Eingehen von Abhängigkeitsbeziehungen. Daher ist es zu begrüßen, dass die Übergänge in die Volljährigkeit durch das geplante Kinder- und Jugendstärkungsgesetz nun gesetzlich besser begleitet werden sollen.
Ein Problem stellt nach wie vor die unzureichende finanzielle Absicherung vieler Angebote Früher Hilfen dar. Frühe Hilfen verfolgen das Ziel, die Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten für (werdende) Eltern und ihre Kinder von Beginn der Schwangerschaft und während der ersten drei Lebensjahre zu optimieren und ein gesundes Aufwachsen der Kinder zu fördern. Ein breites Spektrum an Angeboten der Beratung, Unterstützung und Förderung dient dazu, Eltern in ihrer Versorgungs- und Erziehungskompetenz zu stärken und die Entwicklungschancen ihrer Kinder nachhaltig und umfassend zu verbessern. Entwicklungsrisiken sollen möglichst gar nicht erst aufkommen oder, wenn bereits vorhanden, abgemildert werden. Die Aufstockung der Bundestiftung Frühe Hilfen wäre ein wichtiger Schritt, die bestehende Angebotspalette abzusichern und weiter bedarfsgerecht auszubauen.
Erfahrungen des SkF
Über 75 % der SkF Ortsvereine sind in den Feldern der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Nicht erst durch die Pandemie, aber durch sie noch einmal besonders deutlich geworden ist die Systemrelevanz von Kindertagesstätten und pädagogischen Ganztagesangebote an Schulen.
In den ambulanten Diensten sowie (teil-)stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in SkF-Trägerschaft sind Bildungsbenachteiligung, soziale Stigmatisierungen und die Überlastung von Familien in Krisensituationen virulente Themenfelder. Umgangs- und Besuchskontakte zu leiblichen Eltern waren unter Pandemiebedingungen besondere Herausforderungen. Junge Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen besuchen Einrichtungen des SkF oder haben in ihnen ein Zuhause und einen Arbeitsort gefunden.
Die inklusive Ausgestaltung der gesamten Kinder- und Jugendhilfe hat mit der geplanten Reform des SGB VIII endlich einen Anfang genommen. Den vorgesehenen mehrjährigen Stufenplan gilt es nun kritisch zu begleiten. Doch auch an anderen Stellen wird es nötig sein, immer wieder auf die inklusive Konzeption und Ausgestaltung der Angebote für Kinder und Jugendliche zu drängen, wie z.B. mit Blick auf den Prozess eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen.
Eltern(teile) in existentieller Not, mit psychischen Erkrankungen, mit Erziehungs- und Partnerschaftsproblemen, mit Gewalterfahrungen und Traumatisierungen sind in allen Beratungsfeldern des SkF präsent. Sie eint an vielen Stellen auch die Sorge um ihre Kinder. Hier greift die psychosoziale Beratungsexpertise und Lotsenfunktion des SkF. Immer wieder wird deutlich, dass eine zentrale Stellschraube für die Gewährleistung und Sicherstellung eines sicheren und förderlichen Aufwachsens für Kinder deren sozio-ökonomische Sicherung ist.
Deshalb fordert der SkF die Einführung einer antragsfreien Kindergrundsicherung, die einfach und übersichtlich familienpolitische Leistungen zusammenführt und ausbaut, so dass die Existenzsicherung von Kindern unter Berücksichtigung kindgerechter Bedarfe unabhängig vom Einkommen der Eltern gewährleistet ist.
Deshalb fordert der SkF: Inklusive Teilhabe- und Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen sowie die finanzielle Absicherung bewährter Angebote Früher Hilfen zur psychosozialen Unterstützung junger Familien.
Ansprechpartnerinnen:
SkF Gesamtverein e. V., Agnes-Neuhaus-Str.5, 44135 Dortmund
Dr. Heike Berger: Adoptions- und Pflegekinderdienste; Ambulante, (teil) stationäre Kinder- und Jugendhilfe, Inklusion, Vormundschaften, Ganztagsanspruch, Kitas; Tel. +49 231 557026-24; Mobil +49 171 3386598
Dr. Petra Kleinz: Frühe Hilfen, Familienpatenschaften, Bindungs- und Erziehungsförderung
Dr. Heide Mertens: Mutter-Vater-Kind- Einrichtungen, Existensicherung
Gisela Pingen-Rainer: Alleinerziehende - agia; Gewaltschutz